New Work fällt nicht vom Himmel. Vielmehr ist sie intensive innere Arbeit, meint Inga Höltmann. Hier erzählt sie von ihrer eigenen Reise und von ihrer Auseinandersetzung mit ihren Engeln und Dämonen.
Wenn man im englischsprachigen Ausland zum Optiker geht, dann steht 20/20 für eine gute Sehfähigkeit. Sie ist nicht die perfekte Sehfähigkeit und es geht auch noch schärfer und klarer – aber wer mit 20/20 sieht, ist gut ausgerüstet für den Weg, der vor ihm liegt und sieht, was auf ihn zukommt.
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Ich finde, dass das eine wunderbare Metapher ist für das Jahr 2020, das vor mir liegt. Ich habe den Eindruck, dass mein Weg – meine Mission – klar vor mir liegt und ich gut ausgestattet bin, ihn zu gehen. Einige Dinge, die auf mich zukommen, kann ich bereits erkennen, bei anderen weiß ich, dass sie klarer werden, je weiter ich auf meinem Weg voranschreiten werde.
Ich möchte den Jahreswechsel gern zum Anlass nehmen, um von den beiden Feldern zu erzählen, an denen ich in diesem Jahr arbeiten werde und für Euch ein paar Dinge umreißen, von denen ich schon jetzt weiß, dass sie auf mich zukommen werden.
Dies ist Teil 1, in dem ich von meinen individuellen Arbeitsweisen erzähle und von meiner Reise in meine eigene Neue Arbeit. Am 22. Januar erscheint Teil 2, in dem ich genauer erzählen werde, was ich mit der Accelerate Academy vorhabe – und in dem ich drei Organisationen aus meiner Community zu einer ganz besonderen Lern-Session einladen möchte (doch dazu mehr am 22. Januar).
Mein Feld #1 – Meine eigene Arbeit
Seit einigen Jahren beschäftige ich mich nun schon mit Neuer Arbeit. Doch mit einer Sache wurde ich zunehmend unzufriedener: Dass ich zwar viel bei anderen zu New Work arbeitete, selbst aber nicht besonders “new-workig” arbeitete. Das lag zum Teil an meinen Auftraggebern, die mich in ihre Schablonen zwangen und mir gar nicht die Möglichkeit gaben, darauf Einfluss zu nehmen, und zum Teil an meinem schieren Arbeitspensum, das mir zeitweise zu wenig Spielraum für eigene Experimente bot.
Ich habe deshalb angefangen, an meinen eigenen Arbeitsformen zu arbeiten und mich stärker damit auseinander zu setzen, was für mich eigentlich gute, richtige Arbeit ist, was meine ganz individuelle Vision ist und was ich eigentlich brauche, um mich glücklich und erfüllt in meiner Arbeit zu fühlen. Ein erster Schritt war, dass ich im vergangenen Jahr einen langjährigen Auftraggeber verließ, bei dem der Spagat zwischen dem, was für mich gute Arbeit ist und wie ich dort tatsächlich arbeitete, zu groß wurde.
Eine intensive Auseinandersetzung mit meinen Zielen
Damit fiel nicht nur ein Auftraggeber weg, sondern auch ein stark strukturgebendes Element in meiner Arbeitswoche. Seitdem bin ich auf meiner Entdeckungsreise, welche Strukturen ich an diese Stelle setzen möchte. Und das ist nicht nur ein Streben nach der Erledigung sinngebender und zielführender Aufgaben, sondern eine tiefe und innerliche Auseinandersetzung mit dem, was mich prägt und antreibt. Es ist eine Auseinandersetzung mit meinen ganz persönlichen Zielen, ein Abwägen meiner Prioritäten, ein Nachdenken über meinen übergeordneten Purpose. Was ist meine Vision? Was ist meine Mission? Und wie möchte ich sie erfüllen? Seitdem der Nachdenkraum frei geworden ist, ist viel Raum da, um mir diese Fragen zu stellen.
Das sind wichtige Fragen, doch sie können auch furchteinflößend sein, rütteln sie doch am innersten Selbst – wir wissen doch, welchen Stellenwert Arbeit im Leben der Menschen einnimmt und dass sie viel mehr ist als nur Broterwerb.
Es ist anstrengend, sich mit solchen Fragen auseinanderzusetzen und die Antworten sind nicht leicht zu finden. Dann muss ich gewisse Leerstellen akzeptieren und sie aushalten lernen, so lange, bis ich sie füllen kann. Das geht mit viel Reflexion und Selbstbeobachtung einher. Wenn ich zum Beispiel auf meine Woche zurückschaue, dann versuche ich herauszufinden, bei welchen Aufgaben ich in meiner persönlichen Fülle war, was mir Spaß gemacht hat, was mir leicht von der Hand ging. Und ich frage mich, hinter welchen liegengebliebenen Aufgaben Ängste stecken oder unbewusste hemmende Überzeugungen. Jeder Gründungsprozess, jedes Herzensprojekt ist eine Auseinandersetzung mit seinen eigenen Dämonen. Ist diese Aufgabe nicht erledigt, weil ich tatsächlich einfach keine Zeit hatte? Oder steckt etwas anderes dahinter? Gibt es einen Grund, das ich mich gern von ihr habe ablenken lassen?
Streben nach Balance und Fülle in meiner Arbeit
Ich habe ein großes Ziel dieses Jahr: Ich möchte an Wochenenden nur noch in Ausnahmefällen arbeiten. Das klingt noch nicht besonders new-workig in einer Zeit, in der Unternehmen mit Fünf-Stunden-Tagen oder Vier-Tage-Wochen experimentieren. Doch für mich ist das ein wichtiger Zwischenschritt. Und er bedeutet für mich, meinen Purpose klarer zu umreißen, Ziele daraus abzuleiten, mich stärker auf sie zu fokussieren, Aufgaben zu delegieren oder sie zu automatisieren. Doch um Aufgaben abgeben zu können, müssen sie klar sein: Ihre Wichtigkeit, ihr Zeitrahmen und wie sie zu erledigen sind. Wer eine Aufgabe abgeben möchte, muss sie zuerst erkennen und sich klar über sie werden. Bei der Fülle der Aufgaben ist auch das kein Prozess, der von heute auf morgen erfolgt – solche Prozesse können sich über Wochen und Monate erstrecken und es ist wichtig, am Ball zu bleiben und sich nicht ablenken zu lassen. Da bin ich gerade mittendrin.
Eine weitere Sache, an der ich derzeit dran bin: Ich entwickele gerade eine Morgenroutine. Auch hier habe ich gemerkt: Wo der Weg ins Büro zu einer festen Uhrzeit als strukturgebendes Element im Arbeitstag wegfällt, braucht es ein neues Strukturelement. Wie kann das aussehen? Es beginnt für mich mit so simplen Fragen wie: Wann stehe ich auf? Wann nehme ich das Telefon das erste Mal in die Hand? Wann sitze ich am Rechner? Und das führt zu Fragen wie: Braucht es feste Uhrzeiten im Verlauf des Tages für bestimmte Dinge? Mache ich morgens oder abends Sport? Wann in der Woche habe ich Zeit für Termine und Telefonate, wann für konzentrierte Still-Arbeit? Auch das ist eine tiefe Auseinandersetzung mit meinen Engeln und meinen Dämonen – und ein Streben nach Balance und Fülle in meiner Arbeit.
Und es ist etwas, das dauern wird, da bin ich mir sicher. Ich hoffe, Du begleitest mich auf diesem Weg.
Hast Du eine Morgenroutine? Ich habe in meiner Facebook-Gruppe danach gefragt. Komm gern dazu und beteilige Dich an der Diskussion.
Teil 2 „Meine Pläne für die Accelerate Academy“ vom 22. Januar 2020
Inga Höltmann ist Expertin für die Themen Kulturwandel in Unternehmen, New Work und Digital Leadership. Sie ist Gründerin der “Accelerate Academy”, einer Plattform für Neues Arbeiten und Neues Lernen, und Macherin der New Work Masterclass, einem innovativen Format für berufliche Fortbildung. Sie ist außerdem ausgebildete Wirtschaftsjournalistin, zu ihren Auftraggebern gehören der Berliner Tagesspiegel und der Deutschlandfunk Kultur. Bekannt ist sie auch für ihre beiden Podcasts zur Zukunft der Arbeit, nachzuhören unter ingahoeltmann.de/podcast. Twitter: @ihoelt
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dann sende Deine Idee einfach an Inga: inga@accelerate-academy.de
Hallo, ein wirklich interessanter Artikel der einen zum nachdenken anregt. Danke für deine Gedanken. Ich habe für mich allerdings gelernt das ich ein Typ bin der nicht nach strengen Regeln arbeiten kann. Damit meine ich das ich die Dinge eher so nehmen muss wie sie kommen oder für mich richtig erscheinen. Ein wichtiger Schritt war hier das ich es akzeptiere wenn es Tage gibt an denen es einfach nicht läuft. Je nach Möglichkeit mache ich dann eine Pause, es geht mal an die frische Luft oder einfach mal was anderes machen. Dann merke ich aber auch wenn es zeit ist die alte Aufgabe wieder aufzunehmen und sie dann einfach zu erledigen.
Das betrifft auch meine morgen Routine. Ein fester Plan führt für mich nicht zum Erfolg. Aber so ist auch sicher jeder unterschiedlich und die für mich wichtigste Botschaft aus deinem Artikel ist für mich, das es wichtig ist sich die zeit zu nehmen und sich selbst diese Fragen zu stellen. Den Fokus neu zu setzen und den für sich besten Weg zu erkennen.
Danke für deine Worte und ich bin gespannt auf dein zweites Feld.
Danke für Deine Worte, Markus! Für mich ist dieser Satz ein Schlüsselsatz: Zu „akzeptiere(n), wenn es Tage gibt, an denen es einfach nicht läuft“ – oh ja! Das ist tatsächlich so wichtig. Aber so funktioniert die Arbeitswelt überhaupt nicht: Wir werden nach Zeit bezahlt und nicht inhaltlich, und dann können wir uns diese Zeit(slots) noch nicht einmal aussuchen. Wie soll das gehen?
Und dazu gehört für mich auch die innere Reife, das bei sich selbst zu erkennen und es sich einzugestehen – und der Mut, entsprechend zu handeln.
Interessanter, anregender Artikel, Inga. Für mich sind ein festes Morgen- und Abendritual sehr wichtig, um auch als Freischaffende einen klaren Rahmen zu haben, in dem ich mich bewege. Denn gerade, wenn ich einen auf den ersten Blick eher unproduktiven Tag erlebe, habe ich damit dennoch ein gutes Gefühl und habe wenigstens etwas für MICH gemacht. Das ist mir wichtig.
Die Rituale sind einfache Yogaübungen und etwas Meditation – und, wenn‘s gut läuft, die ‚morning pages‘ nach Julia Cameron:)
Liebe Katrin, Danke für Deine Gedanken! Und schön zu lesen, dass Du auch ein Morgenritual hast – das habe ich nun schon von einigen Menschen gehört, da scheint echt was dran zu sein 😉 Mir tut es auch total gut. Ich halte Euch über meine Reise auf dem Laufenden!