Auf die Initiative und Leidenschaft, mit der junge Arbeitnehmer ein Thema in ihrem Job voranbringen wollen, sind viele Arbeitgeber nicht vorbereitet. Das muss sich unbedingt ändern, meint unsere Gastautorin Madeleine Hofmann.
Müsste man die deutsche Managementebene mit einer Farbe beschreiben: Grau wäre die richtige Wahl. 2016 betrug das Durchschnittsalter von Führungskräften in Deutschland 51,8 Jahre. Rund 14 Prozent waren 2015 sogar schon im Rentenalter – brauchen also bald einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin. Spätestens aber, wenn die Babyboomer-Generation gleichzeitig von ihren ChefInnensesseln aufsteht und in Rente spaziert, hinterlässt sie eine Lücke – umrandet von veralteten Arbeitsstrukturen, die nicht auf die Zukunft vorbereitet sind.
Wir Junge sind es dann, die den Rückstand ausbaden müssen, den uns die alten Generationen eingebrockt haben. Denn den Nachwuchs in Stellung zu bringen – jüngere MitarbeiterInnen in wichtige Entscheidungsprozesse einzubeziehen und ihnen verantwortungsvolle Aufgaben zu übertragen – das haben viele Unternehmen verpasst.
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Es geht nicht um Titel oder Positionen – es geht um den Inhalt
Stattdessen bekommen junge ArbeitnehmerInnen von ihren ArbeitgeberInnen das Feedback, sie wollten „zu schnell aufsteigen“. Dabei geht es den meisten gar nicht um Titel und Positionen, sondern darum, ein Thema, das ihnen wichtig ist, voranzubringen. Meine Freundin Katharina kündigte deshalb ihren letzten Job: Die Perspektiven, die ihr Arbeitgeber ihr aufzeigte, ließen keine inhaltliche Mitgestaltung zu.
Auch bei meinem Freund Alex führte so eine Situation zu Frust und letztlich zum Jobwechsel. Nach fünf Jahren im Unternehmen wollte er inhaltlich mehr Verantwortung übernehmen, sprach darüber offen mit seinem Chef. Der wiederum bot ihm die Aussicht auf eine Abteilungsleiterstelle in zwei Jahren an.
Eine Beförderung, die mehr personelle Verantwortung und strategisches Schaffen mit sich bringt – irgendwann. Den Wunsch, ein bestimmtes Thema inhaltlich im Konzern voranzubringen, konnte der Chef nicht einmal nachvollziehen. Stattdessen das Showstopper-Argument: „Du bist doch noch gar nicht lange hier und noch so jung. Sei doch mal nicht so ungeduldig.“
Der Wunsch nach Teilhabe ist allgegenwärtig
Initiative und Leidenschaft für den Job als Bremse? Dabei ist der Wunsch nach Partizipation gar keine Spezialität der Jugend: Der Gallup Engagement Index zeigt, dass „die Möglichkeit, das tun zu können, was man richtig gut kann“, auf Platz drei der Erwartungen von ArbeitnehmerInnen an ihr Unternehmen steht. Das Problem: Viele Führungspersonen wissen nicht einmal, was sich ihre Mitarbeiter wünschen, denn sie meiden das Gespräch oder führen mit einer Top-down-Strategie – höchst hierarchisch, mit Anweisungen statt konstruktiven Gesprächen. Eine Methode, die bei jungen Menschen gar nicht gut ankommt.
„Ich frage mittlerweile immer: Was sind deine Erwartungen?“, erklärt zum Beispiel Milena Glimbovski, die mit 22 den verpackungsfreien Supermarkt Original Unverpackt gegründet hat. Nach rund vier Jahren Chefinnen-Dasein weiß sie: Die Motivation der Angestellten ist am wichtigsten: „Man sollte häufig das Gespräch mit seinen MitarbeiterInnen suchen.“ Fehlt das Interesse der Vorgesetzten an ihren MitarbeiterInnen führt das zu Frust – staut der sich an, ist das Ergebnis die innerliche oder reale Kündigung.
Die moderne Geisteshaltung fehlt
Manche Unternehmen erkennen die Dringlichkeit der Veränderung und eifern in ihrer Not modernen Start-ups nach – mehr oder weniger erfolgreich. Viele haben inzwischen sogenannte Innovation Labs gegründet – an den Konzern angegliederte Ideenlabore mit Designermöbeln, gratis Club Mate und ohne Krawattenpflicht. Nur: Ein Kicker im Pausenraum macht noch keine offene Unternehmenskultur.
Wenn die MitarbeiterInnen nach jeder kreativen Projektarbeit doch wieder durch den Bürokratiedschungel des Konzerns müssen, um am Ende darauf zu hoffen, dass die grauen Chefs im Anzug nach Wochen des Abwägens nicht doch noch beschließen, dass das Projekt zu teuer, zu gewagt, zu unkonventionell ist, wenn jede Ankündigung eines Home-Office-Tages Stirnrunzeln bei den Vorgesetzten auslöst und das Abweichen von nine to five nur theoretisch möglich ist – dann kann von „New Work“ keine Rede sein. Es fehlt einfach die moderne Geisteshaltung.
Die wiederum kann nur erreicht werden, wenn sich Unternehmen endlich auf eine Durchmischung einlassen – alte Kumpel-Netzwerke aufbrechen, dafür Menschen unterschiedlicher Altersgruppen und Lebensrealitäten an einen Tisch bringen. Es wäre eine Bereicherung für Diskussionen, Unternehmen, und letztlich die gesamte Wirtschaft. Gesucht werden muss der Nachwuchs dafür nicht mehr. Er steht längst in den Startlöchern.
Madeleine Hofmann, Jahrgang 1987, lebt als freiberufliche Journalistin in Berlin. Zu ihren Auftraggebern zählen das Wirtschaftsmagazin Capital und das ZDF Morgenmagazin. Für ihr Generationen-Magazin „Knowing (wh)Y“ wurde sie ausgezeichnet, inzwischen ist ihr erstes Buch zu Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit in Wirtschaft und Politik im Campus Verlag erschienen. Direkt zum Buch.
Werde ich auf jeden Fall lesen (und gleich bestellen). Auch weil es mir in den Fingern juckt, zu diesem Themenkreis zu schreiben und dabei sicher auf „Macht Platz!“ einzugehen.
Viele Grüße!