QualityMinds ist ein Software-Unternehmen, das vor der Frage stand: Wie werden wir uns in Zukunft fortbilden? Ihre Antwort: In Zukunft genauso agil, wie wir arbeiten. Hier beschreiben Eva Dirr-Bubik und Manuel Illi den agilen Lernansatz.
Unsere Welt ist konstant im Wandel und somit auch unsere Arbeitswelt: Globalisierung und Digitalisierung verändern Wirtschaft, Politik und Gesellschaft – und sie verändern auch unser Lernen. Denn um auf den Wandel adäquat zu reagieren und den Herausforderungen unserer Zeit gerecht zu werden, wird kontinuierliches Lernen nicht nur immer wichtiger, sondern es bedarf auch neuer Wege für das Lernen.
Klassische Angebote funktionieren häufig nicht mehr
Das Gute daran: Das Konzept des lebenslangen Lernens wird in Unternehmen immer bedeutender und sie sind immer häufiger bereit in die Fort- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter zu investieren. Oft werben Unternehmen bereits im Recruitingprozess mit ihren vielfältigen Fort- und Weiterbildungsangeboten.
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Vielleicht warst auch du in der Vergangenheit schon einige Male auf Fort- oder Weiterbildungen. Aber bist du aus diesen auch immer mit einem guten Gefühl herausgegangen, das auch noch ein für ein paar Wochen angehalten hat? Oder hat dich danach auch schon einmal das Gefühl beschlichen, dass die teure Maßnahme vielleicht gar nicht so viel gebracht hat wie gehofft?
Wir selbst haben in der Vergangenheit oft negative Erfahrungen mit betrieblicher Bildung gemacht. Dieses hat verschiedene Gründe: Zum einen war ein Teil der Inhalte bereits bekannt oder hatte keine Relevanz für den eigenen Tätigkeitsbereich, in dem das Gelernte angewandt werden sollte. Die Inhalte, die wirklich spannend waren, haben viele Male nur einen kleinen Teil der Maßnahme ausgemacht. Zum anderen werden Schulungen und Co. häufig einige Zeit im Voraus beantragt und zum Zeitpunkt der Maßnahme war das jeweilige Thema oft schon nicht mehr das, was sie in diesem Moment angebracht gewesen wäre, sondern andere Themen wären relevanter und hilfreicher gewesen. Darüber hinaus geht man vielleicht aus der Schulung noch motiviert heraus, doch nach ein paar Tagen zurück in der Praxis war die Motivation auch schon wieder verflogen. Neues Wissen konnte aus verschiedenen Gründen oft nicht umgesetzt werden oder erwies sich im Alltag als unwirksam.
Wie ein neues Lernen aussehen kann
In einer Welt, in der immer häufiger Veränderungen kurzfristig und wenig vorhersehbar auftreten, hat sich der Lernbedarf von und in Organisationen grundlegend verändert. Gerade im Bereich der Softwareentwicklung, in dem wir als QualityMinds tätig sind, ist die Geschwindigkeit besonders hoch. Unsere Kollegen müssen stets die aktuellen Entwicklungen kennen. Lernbedarfe entstehen somit zunehmend kurzfristig und Lerninhalte müssen dementsprechend flexibel und schnell zur Verfügung stehen. Der Lernprozess muss zudem offen für Veränderungen und Anpassungen sein.
Doch wie kann ein Lernansatz aussehen, der diese veränderten Bedarfe aufgreift? Diese Frage haben auch wir uns bei QualityMinds vor einigen Jahren gestellt. Daraus entstanden ist ein agiler Lernansatz, der Erkenntnisse aus der Lehr- und Lernforschung mit agilen Prinzipien und Frameworks wie z. B. Scrum kombiniert.
„Was willst Du eigentlich lernen?“
Im agilen Lernansatz wird der Lernende mit all seinen individuellen Bedarfen, Vorkenntnissen, Ressourcen und Stärken in das Zentrum gestellt. Das bedeutet vor allem eines: Der Lernende entscheidet, was er lernen möchte und setzt entsprechende Lernziele. Aber das agile Lernen geht noch weiter – Eigenverantwortlichkeit und Selbstorganisation sind die wichtigsten Prinzipien im agilen Lernen. Die Lernumgebung wird dann ganz auf den einzelnen Lernenden und seine Bedürfnisse hin ausgerichtet. Das ist vermutlich der größte Unterschied zu den allermeisten Lernkontexte, in denen wir seit der Schulzeit gelernt haben. Oder wann hat dich schon mal jemand gefragt: „Was willst Du eigentlich lernen?“
Es ist auch durchaus sinnvoll, Lernen individuell am Lernenden auszurichten, denn aus der Lerntheorie wissen wir, dass Lernen nicht nur vom Vorwissen abhängt, sondern auch von dessen Interesse und Motivation. Im agilen Lernansatz werden deswegen Lerninhalte, -formate, -orte und -settings individuell gewählt.
Lernangebote müssen aber nicht nur individualisiert und bedarfsorientiert, sondern auch praxisnah sein. Vermittlung, Übung und Praxis sind deshalb unmittelbar miteinander verbunden. Kollaborative und kooperative Lernformate sind ein wichtiger Bestandteil. Darüber hinaus ist der Lernprozess in überschaubare, iterative Lernphasen strukturiert, sogenannte Lernsprints. Reflexion und kontinuierliches Feedback sind dabei wichtige Elemente und sorgen für eine schnelle Adaptivität.
Der agile Lerncoach als persönlicher Begleiter
In der Theorie klingt das alles sehr gut, finden wir. Doch wie funktioniert dieser Ansatz in der Praxis? Wir haben in unserem agilen Lernansatz die Rolle des agilen Lerncoachs eingeführt. Der Lerncoach begleitet jeden Mitarbeitenden individuell in seinem Lernprozess. Denn auch bzw. gerade beim selbstgesteuerten Lernen brauchen Lernende Unterstützung und jemanden, der sie begleitet.
Der agile Lerncoach ist vor allem Reflexionspartner und Ermöglicher. Zu Beginn eines Lernsprints hilft er dem Lernenden für ihn passende, realistische und präzise Lernziele zu finden, zu formulieren, zu priorisieren und zeitlich zu ordnen. Anschließend sorgt er für die Bereitstellung von Lerninhalten, die zu den Lernzielen und den individuellen Bedürfnissen und Voraussetzungen des Lernenden passen. Darüber hinaus findet er passende Lernformate, indem er beispielsweise den Lernenden mit Experten oder Lernenden mit ähnlichen Interessen vernetzt. Der agile Lerncoach unterstützt ebenfalls die Wissenssicherung und den Lerntransfer durch Übungen.
Lernsprint mit Retro
Am Ende des Lernsprints findet sowohl ein Review-Gespräch als auch eine Retrospektive zwischen dem Lernenden und dem Lerncoach statt. Ziel des Review-Gesprächs ist es, dem Lernenden zu ermöglichen, selbst festzustellen und zu beurteilen, was er im abgeschlossenen Lernsprint erreicht hat. Hierbei geht es darum, zunächst Erfolge zu teilen und das Gelernte zu präsentieren. Je nach Lernziel können hierfür einerseits verschiedene Personengruppen mit einbezogen werden und andererseits verschiedene Formate genutzt werden. Es geht also um das ‚Was‘ des letzten Sprints.
In der Retrospektive hingegen liegt das Augenmerk auf dem ‚Wie‘. Gemeinsam werden die angewandten Lernmethoden und -strategien reflektiert, ebenso wie Erfolgsmomente und Hindernisse. Es wird dabei also über die Metaebene des Lernens gesprochen. Der Lernende lernt dabei, wie er selbst sein Lernen verbessern kann. Agiles Lernen fördert somit auch metakognitive Fähigkeiten, das ist die Fähigkeit, über das eigene Denken und das eigene Wissen nachzudenken, dieses zu beobachten, zu beurteilen und zu regulieren. Und diese Förderung metakognitiver Fähigkeiten beeinflusst wiederum den zukünftigen Lernprozess und vor allem Lernerfolg, denn Metakognition hat im Bereich des Lernens sogar einen größeren Einfluss auf die angestrebten Erfolge als der Faktor Intelligenz.
Wenn Lernen wieder Spaß macht
Welche Bilanz können wir nach drei Jahren agilen Lernens bei uns im Unternehmen ziehen? In zahlreichen Lerncoaching-Gesprächen erhalten wir von vielen Mitarbeitern die Rückmeldung, dass durch das agile Konzept das Lernen endlich wieder Spaß macht und sie das lernen, was sie gerade wirklich benötigen. Als motivierend empfinden sie zum einen, dass sie Lernziele selbstbestimmt wählen können, und zum anderen, dass sie neue Lernstrategien und -formate ausprobieren können. Sie bestimmen damit sowohl das Was als auch das Wie ihres Lernens.
Lernen ist ein fester Bestandteil unserer Unternehmenskultur bei QualityMinds geworden und aus dieser nicht mehr wegzudenken. So haben beispielsweise unsere Scrum Master eine Community of Practice gegründet, in der sie regelmäßig gemeinsam ihre praktischen Fragen diskutieren, reflektieren und neue Lösungsansätze entwickeln. Lernen und praktische Anwendung sind so unmittelbar miteinander verknüpft. Und ganz nebenbei sind auch die direkten Kosten für externe Fort- und Weiterbildungen gesunken, da diese nur noch in dem Maße Kosten verursachen, wie sie wirklich benötigt werden.
In den letzten Monaten haben wir viele Anfragen aus unserem Netzwerk zu unserem agilen Lernansatz erhalten. Weitere Informationen gibt es in unserem Buch: „Lern doch, was Du willst!“ – Agiles Lernen für zukunftsorientierte Unternehmen oder unter www.agiler-lerncoach.de.
Eva Dirr-Bubik ist agiler Lerncoach bei den QualityMinds. Dort begleitet sie intern ihre Kolleginnen und Kollegen individuell in ihrem Lernprozess. Sie studierte Pädagogik mit dem Fokus Lehren und Lernen sowie Psychologie und Kommunikationswissenschaft. Anschließend hat sie vielfältige Erfahrungen in der pädagogischen Praxis sowie in der (außer)universitären Forschung gesammelt.
Manuel Illi ist Berater im Bereich agiles Lernen und alternative Lernformen. Früher als Germanist und Kulturwissenschaftler tätig, ist er jetzt als agiler Lerncoach in internationalen Projekten unterwegs. Er unterstützt sowohl Individuen als auch Teams bei den Herausforderungen, die modernes Lernen aufwerfen.
Vera Gehlen-Baum & Manuel Illi: „Lern doch, was Du willst!“ – Agiles Lernen für zukunftsorientierte Unternehmen.