Eine Beratertagung in Zürich wurde für Markus Väth zum „thematischen Urknall“ – dort bemerkte er, wie sehr das Thema Beratung brodelt. Hier erklärt er, warum sich Beratung zum „Organisationscoaching“ wandeln muss.
Im Frühjahr 2018 fuhr ich zu einer Beratertagung nach Zürich. Ein Tag lang „Swiss‘ Finest“ der Beraterszene. Ich hatte einen Vortrag im Gepäck mit dem Titel „Absichtslose Beratung“. Darin skizzierte ich die meiner Meinung nach deutlichen Schwierigkeiten herkömmlicher Beratung und dass sich Beratung verwandeln müsse, in etwas Neues, Individuelleres, Demütigeres, Organischeres.
Was ich nicht vorausgesehen hatte: Der Tag wurde für mich zum thematischen Urknall. Meine Idee eines „Organisationscoachings“ wurde ziemlich kontrovers diskutiert, und für mich wurde klar: Hier brodelt etwas. Und mit diesem Gefühl bin ich nicht allein. Das Unternehmen Detecon aus Köln hatte schon vorher damit begonnen, den Hashtag #BeyondConsulting zu prägen und sich zu fragen: Was kommt nach der klassischen Unternehmensberatung?
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Für mich war die Sache klar: Immer, wenn mich eine Sache packt, mache ich ein Buch darüber. Kein Scherz. Das zwingt mich zu einer tiefen Auseinandersetzung mit dem Thema. Deshalb schloss ich mich im Sommer 2018 ein und schrieb „Beraterdämmerung. Wie Unternehmens sich selbst helfen können“. Darin skizziere ich meine Hauptthesen zu Beratung und ihrer Zukunft:
- Das 20. Jahrhundert war auch das Jahrhundert der Unternehmensberatungen. Sie wurden groß, global und ihr rational-linear-analytischer Ansatz passte zu den Problemen der Kunden.
- Im 21. Jahrhundert scheitert klassische Beratung aus vielerlei Gründen: aufgrund undifferenzierter Anwendung von Tools wie Benchmarks und Best Practices, aufgrund systemischer Mängel bei Beauftragung und Durchführung, aufgrund unterkomplexer Lösungen in einer zunehmend dynamischen Unternehmensumwelt etc.
- Unternehmen können sich selbst helfen, wenn sie bei Management, Führung, Kultur und Teamwork ein starkes Kraftwerk entwickeln, eine echte lernende Organisation. Hierfür stelle ich einige einfache Prinzipien vor.
- Will Beratung in diesem neuen Szenario einen Mehrwert liefern, sollte sie sich zum Organisationscoaching wandeln. Der Marktdruck hierfür muss letztendlich vom Kunden ausgehen, der sich nicht mehr mit unterkomplexen oder schlicht unpassenden Lösungen abspeisen lässt.
Wie krass das Thema brennt, zeigte mir ein Posting auf LinkedIn. Dort hatte ich im Januar 2019 abends mein Buch kurz angekündigt, als Marketing-Ansage in eigener Sache. Als ich meinen Laptop wieder aufklappte, war das Posting über 22.000 Mal abgerufen worden, und es hatte sich eine intensive Diskussion darüber entwickelt – mehrheitlich unter Beratern, wohlgemerkt.
Ich war selbst zwölf Jahre als Berater unterwegs. Mit meinem Buch geht es mir daher nicht um ein Berater-Bashing, im Gegenteil. Ich will beiden Seiten, Beratern und ihren Kunden, die Köpfe öffnen und ein Gegenmodell zur klassischen Beratung anbieten, das meiner Meinung nach zukunftsfähiger ist. Wir sollten jetzt in die Diskussion einsteigen, damit es eben nicht bei einer „Beraterdämmerung“ bleibt. Lasst uns kreativ sein. Lasst uns als (Noch-)Berater und gemeinsam mit unseren Kunden eine Antwort finden auf die Frage: Wie kann sich Beratung entwickeln? Kurz: Sorgen wir für einen neuen Morgen.
Markus Väth ist einer der profiliertesten Organisationscoaches im deutschsprachigen Raum und seit mehr als zwölf Jahren in den Themen New Work, Management und Führung tätig. Darüber hinaus hat er mehrere Sachbücher im Bereich Psychologie und Management verfasst und ist Co-Founder eines Think Tanks zur Zukunft der Arbeit.
Zum Buch: Markus Väth: „Beraterdämmerung“